- Sting
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Sting[stɪȖ], eigentlich Gordon Matthew Sumner ['sʌmnə], britischer Rockmusiker (Sänger, Gitarrist, Songschreiber) und Schauspieler, * Newcastle upon Tyne 2. 10. 1951; begann 1977 in der Rockgruppe »The Police«, seit 1985 Solokarriere. In seinen Songs mischen sich moderner Jazz und Rockelemente, Funk und Reggae. Politisches Engagement zeigte er bei Auftritten für Greenpeace und Amnesty International sowie durch sein Eintreten für die Kayapo-Indianer und den Schutz des tropischen Regenwaldes. Sting wirkte auch in Filmen (u. a. »Die Abenteuer des Baron Münchhausen«, 1989; »The grotesque«, 1995) und Musikdokumentationen mit (u. a. »Sting - Bring on the night«, 1985).IIStingNew Wave mit StachelGordon Matthew Sumner, genannt Sting, wurde am 2. Oktober 1951 in Wallsend bei Newcastle upon Tyne, der nördlichsten englischen Großstadt, als Sohn eines Milchmanns und einer Friseuse geboren. Nach diversen Gelegenheitsjobs ließ er sich zum Lehrer ausbilden und übte diesen Beruf aus, bis er im vergleichsweise fortgeschrittenen Alter die New-Wave-Band »The Police« gründete, als deren Sänger und Bassist er zwischen 1979 und 1983 weltweit triumphale Erfolge feierte. Als der Jazzliebhaber und Kunstkenner sich durch die begrenzten Möglichkeiten der Triobesetzung zunehmend eingeengt sah und neue musikalische Visionen entwickelte, machte er sich selbstständig und startete eine bis heute erfolgreiche Solokarriere. Erstaunliches Talent bewies er daneben als Darsteller unterschiedlichster Charaktere in meist erfolgreichen Filmproduktionen. Große Beachtung fand auch sein politisches Engagement für Greenpeace, Amnesty International und die Indios des Regenwalds. Dem Künstlernamen »Sting« (deutsch »Stachel«) macht der streitbare »Denker der Rockmusik« in jedem Fall alle Ehre, auch wenn dieser sich ursprünglich nur auf seine Stoppelfrisur bezog.Zu Ruhm und Reichtum mit The PoliceSting agierte als Bassist seit Anfang der 70er-Jahre in diversen Amateurcombos. Seine musikalischen Einflüsse reichten von den Beatles bis zu Miles Davis, wobei seine Affinität zum Jazz sich auf die wohltemperierte, durcharrangierte Variante beschränkte. Eine 1972 in Kleinstauflage erschienene LP der Newcastle Bigband ist allein durch sein Mitwirken heute ein ebenso gesuchtes Sammlerstück wie die Single »Whispering voices« seiner Jazzrockgruppe »Last Exit« von 1975.Sting, dem seine bürgerliche Existenz zunehmend unbefriedigend erschien, tat sich 1977 mit dem Gitarristen Andy Summers und dem exzentrischen amerikanischen Schlagzeuger Stewart Copeland zusammen. Andy Summers (eigentlich Andrew Somers, * 31. 12. 1942 in Blackpool) war schon zwölf Jahre Berufsmusiker und Ende der 60er-Jahre eine der tragenden Säulen von Eric Burdons »Animals«, Stewart Copeland (* 16. 7. 1952 in Alexandria, Virginia) hatte zum letzten Aufgebot der Band »Curved Air« gehört. Obwohl Sting also als Einziger auf keine nennenswerte Karriere zurückblicken konnte und das Trio aus drei ausgeprägten Egomanen bestand, setzte er sich aufgrund seiner Songschreiberqualitäten als Kopf von »The Police« durch und dominierte die Band mit seiner näselnden, fast quengelnden Stimme, die zum Markenzeichen mit hohem Wiedererkennungswert wurde.Nach anfänglichen Misserfolgen wie der Debütsingle »Fall Out« und dem von Publikum und Presse nicht ganz zu Unrecht geäußerten Verdacht, drei alternde Hippies mit gefärbten Haaren wollten sich an den Erfolg des Punk anhängen, kam der Durchbruch 1978 mit der LP »Outlandos d'amour« und den daraus ausgekoppelten Hits »Roxanne«, »Can't stand losing you« und »So lonely«. Mit ihrer Mischung aus hartem Rock und Reggae-Rhythmen wurde die Band »The Police« zu einer der erfolgreichsten Gruppen des New Wave, die als abgemilderte Variante des Punk den Rock der frühen 80er-Jahre dominierten. Bis 1983 folgten vier weitere Bestselleralben und meist von Sting verfasste Hits wie »Don't stand so close to me«, »De do do do de da da da«, »Message in a bottle«, »Walking on the moon« und »Every little thing she does is magic«. Der anfänglich kompromisslos treibende harte Sound der Gruppe ging im Lauf der Zeit über zu einschmeichelnden Melodien mit komplizierter Rhythmik, und das letzte Police-Album, »Synchronicity«, mit dem Hit »Every breath you take« war bereits ein deutlicher Hinweis auf die zukünftige kommerziellere Ausrichtung der musikalischen Ambitionen von Sting. Um dem ständigen Tourneestress und den härter werdenden internen Auseinandersetzungen zu entgehen, widmeten sich die Mitglieder ab 1984 diversen Soloprojekten, und die Gruppe löste sich auf, ohne dies jemals offiziell bekannt zu geben.Die zweite Karriere: soloDass Sting auch als Schauspieler durchaus ernst zu nehmen ist, bewies er schon 1979 mit einer Rolle in der Verfilmung der zweiten »Rockoper« von The Who, »Quadrophenia«. Bis 1988 wirkte er in zehn weiteren Filmen mit und verkörperte dabei solch unterschiedliche Charaktere wie den unbeugsamen Widersacher der Unterwelt in »Stormy monday« und den pseudofaschistischen Bösewicht in David Lynchs Science-Fiction-Epos »Dune«. 1985, als noch kaum jemand ahnte, dass die Tage von »The Police« gezählt waren, drehte er mit Meryl Streep den Film »Plenty« und begann mit den Aufnahmen für sein erstes Soloalbum »The dream of the blue turtles«. Als Begleiter holte er sich hochkarätige Musiker wie Branford Marsalis, Darryl Jones oder Omar Hakim ins Studio, deren Namen bis dahin mehr dem Jazz- als dem Rockpublikum geläufig waren. Obwohl hier Stilelemente verschmolzen wurden, die von russischer Klassik über Folklore bis zum Latin Swing reichen, entstand kein eklektizistischer Flickenteppich, sondern eine in sich stimmige Platte, die sich angenehm abhob vom gängigen Einheitsbrei und beim Streben nach Wohlklang die Wurzeln im Rock nicht verleugnete.Sting traf damit punktgenau den Nerv der Yuppiegeneration und lieferte mit Hits wie »If you love somebody (set them free)« und »Russians« den gepflegten Sound für Partys, bei denen Champagner und Austern geschlürft wurden und verschwitzte Hemden verpönt waren. Die kritischen Texte, die Solidarität mit den Unterprivilegierten und ein Ende des Wettrüstens anmahnten, gingen so allerdings an einem Großteil seiner Hörerschaft spurlos vorbei. Das breite Spektrum seiner Interessen und Begabungen stellte Sting 1985 auch dadurch unter Beweis, dass er zusammen mit dem Bandleader Mark Knopfler das Konzept für den größten Hit der Londoner Rockband Dire Straits, »Money for nothing«, entwarf und kurz darauf eine klassische Interpretation von »Mack the knife« für die als Hommage an Kurt Weill gedachte LP »Lost in the stars« aufnahm, an der neben ihm Lou Reed, Tom Waits und Marianne Faithfull mitwirkten.Im Herbst ging Sting mit der Blue Turtles Band auf eine Welttournee, aus der das Live-Doppelalbum »Bring on the night« (1986) resultierte. Es bot neben einigen neuen Songs überarbeitete Fassungen der Police-Klassiker »Driven to tears«, »Tea in the Sahara«, »Demolition man« und »One world« und verdeutlichte, welch brillanter, vor Spielfreude sprühender Entertainer mittlerweile aus dem einst grimmig und hölzern wirkenden Punkverschnitt geworden war. Mit dem nächsten Studioalbum »Nothing like the sun« (1987) setzte er sein Konzept der jazzigen Weltmusik mit trickreichen Tempiwechseln und rockuntypischer Instrumentierung konsequent fort. Von der alten Besetzung blieben nur Kenny Kirkland und Branford Marsalis übrig, der Rest der Band wurde ersetzt durch prominente Namen wie Eric Clapton, Mark Knopfler, Ruben Blades und den Exkollegen von Police, Andy Summers. Neben Hits wie »Englishman in New York« und »We'll be together« enthielt die Platte eine charmante Version der Jimi-Hendrix-Ballade »Little wing« und deutliche politische Statements wie »They dance alone«, ein Stück, das die Verzweiflung der Frauen und Mütter von in Chile unter Pinochet verschwundenen Männern beschreibt. Als die Platte daraufhin in Chile verboten wurde, nahm Sting eine spanischsprachige Version davon für den lateinamerikanischen Markt auf und ging für Amnesty International auf die »Human rights tour«, die ihn mit anderen Stars wie Peter Gabriel und Bruce Springsteen durch vier Kontinente führte. 14 Jahre später, im Jahr 2001, sollte Sting von der chilenischen Regierung für seinen Einsatz für die Menschenrechte geehrt werden.Stings politisches Engagement ist, im Gegensatz zu dem manch anderer Rockstars, kein kurzfristiger Flirt, der sich auf publicityträchtige Events beschränkt. Schon 1978 hatte er als Gastsänger der Radio Actors auf dem Titel »Nuclear waste« seinen Protest gegen Atomkraft und Atombomben mit vor Zorn bebender Stimme artikuliert. 1981, auf dem Höhepunkt der Popularität von Police, unterstützte er ohne die Band mit dem Benefizkonzert »The secret policeman's other ball« Amnesty International erstmals öffentlichkeitswirksam. Nachdem er 1985 bei Bob Geldofs »Live-Aid«-Spektakel im Wembley-Stadion ebenfalls solo erschienen war, trommelte er 1986 The Police, wiederum zugunsten von Amnesty, für ein letztes Konzert zusammen. Kurz darauf engagierte er sich mit »Artists against apartheid« für die Freilassung von Nelson Mandela und sammelte auf der »Conspiracy of hope«-Tour neben Bob Dylan, Elton John und U2 Geld für politische Gefangene.Anfang der 90er-Jahre nutzte er seine Popularität zur Unterstützung der Umweltschutzorganisation Greenpeace, startete eine viel beachtete Kampagne zur Rettung des brasilianischen Regenwalds und der vom Aussterben bedrohten Kayapo-Indianer und setzte sich für chinesische Dissidenten ein. Sein konsequentes Eintreten für seine Überzeugungen brachte ihm allerdings nicht nur Freunde ein. Die Neigung, mit seinem fundierten Wissen über Kunst und Kultur des Abendlands nicht hinter dem Berg zu halten, tat ein Übriges, ihm den Ruf eines blasierten Snobs einzubringen, der sich als selbst ernanntes Weltgewissen empfindet. Sting reagierte auf diesbezügliche Vorwürfe arrogant, aber nicht humorlos: »Soll ich so tun, als ob ich ein Vollidiot sei? Wenn das die einzige Alternative ist, möchte ich lieber der eingebildete Angeber bleiben.«Die 90er-Jahre: Der Star macht sich rarPrivat hatte Sting in den 80ern einige Nackenschläge einzustecken. Seine Ehe mit dem Model Frances Tomelty, mit der er zwei Kinder hat, war gescheitert, und er musste in kurzer Folge den Tod der Eltern verkraften. Sting zog sich mehr und mehr aus der Öffentlichkeit zurück und heiratete 1991 Trudie Styler, mit der er mittlerweile vier weitere Kinder hat. Die Erfahrungen dieser schwierigen Phase verarbeitete er in dem spröden, schwer zugänglichen Album »Soul cages« (1991), das trotz der melancholisch-nachdenklichen Grundstimmung zu seiner ambitioniertesten und vielleicht besten Platte geriet, wie die Zeitschrift »Rolling Stone« urteilte. Abgesehen von dem Hit »All this time« findet sich hier kaum tanzbarer Designerpop, dafür überwiegend komplexe Songstrukturen mit Melodien, deren Qualität sich erst bei mehrmaligem intensiven Zuhören entfaltet. Auch die Texte sind hier ungewohnt intim und beschäftigen sich mit Themen wie Religion, Erwachsenwerden und Tod. Obwohl Sting sich auch hier von renommierten Musikern aus dem Grenzbereich zwischen Rock und Jazz begleiten ließ, ist das Resultat ein Album, das streckenweise als moderner Folkrock bezeichnet werden könnte.1992 ließ nur die Single »It's probably me« aufhorchen, die Sting zusammen mit Eric Clapton als Teil des Soundtracks zu dem Thriller »Lethal weapon III« aufgenommen hat. 1993 erschien das Album »Ten Summoner's tales«, dessen Titel ein Wortspiel ist mit Stings bürgerlichem Namen Sumner und dem englischen Äquivalent für den Gerichtsbüttel, der auch als Henkersknecht aushalf. Die deprimierte Phase war offensichtlich vorüber, und statt politischer Kommentare konnte man nun Songs über Liebe, Familienglück und die Vorzüge des Landlebens hören von einem Musiker, dessen fröhlicher Optimismus ansteckend wirkte. Von Reggae bis Country wurden Elemente so ziemlich aller populären Stile zu einem klassischen Popalbum gehobener Güteklasse verarbeitet. Neben Hits wie »If I ever lose my faith in you« und »Fields of gold« kann man hier einen übermütigen Sting bewundern, der sich erstmals öffentlich ans Saxophon traut.In den folgenden Jahren machte Sting sich rar. Abgesehen von der Single »All for love«, die er mit Bryan Adams und Rod Stewart für die Neuverfilmung der »Drei Musketiere« aufnahm, und dem Greatest-Hits-Sampler »Fields of gold« (1994) erschien Neues von ihm erst wieder 1996 mit dem Album »Mercury falling«. Als Mann mit hoher Allgemeinbildung war ihm bewusst, dass Merkur nicht zuletzt der Gott der Diebe ist. Er hat auf dieser abwechslungsreichen Platte mit deutlich lateinamerikanischem Einschlag einmal mehr in sämtlichen musikalischen Genres geräubert und dies auch unumwunden zugegeben. Der abgeklärte Mittvierziger sah die Dinge nicht mehr so verbissen, und solange Hits wie »Let your soul be your pilot« und »I hung my head« dabei herauskamen, konnte er auch ganz gut damit leben, dass manche Kritiker ihm - nicht ganz zu Unrecht - permanente Selbstzitate vorwarfen.Abgesehen von einer weiteren Zusammenstellung älteren Materials, das 1997 unter dem Titel »Sting and The Police« erschien, dauerte es erneut drei Jahre, bis Sting seinen Fans 1999 mit der CD »Brand new day« (2000 als Live-Album) ein weiteres Lebenszeichen gab. Wie die beiden Vorgänger bietet das Werk - rund um das Thema Liebe - kraftvollen Pop für Erwachsene. Im Februar 2000 erhielt er dafür bei der Grammy-Verleihung zwei Auszeichnungen: einmal als bester Pop-Interpret und einmal für das beste Pop-Album. Auf einer Tournee durch Europa und die Vereinigten Staaten präsentierte er die Songs im Sommer 2001 dem Publikum.
Universal-Lexikon. 2012.